Zweimal trat Papst
Franziskus in kurzem Abstand gegen das organisierte Verbrechen auf, zweimal kam
prompt die Antwort: Prozessionen verharren an den Wohnsitzen der Mafia-Bosse,
um sie zu ehren. So jüngst im sizilianischen Hauptort Palermo.
Alessandro D’Ambrogio (links) einer der gefährlichsten Mafia-Bosse der Camorra. Noch heute regiert er aus dem Gefängnis heraus, obwohl er im Hochsicherheutstrakt von Novara einsitzt. |
Florenz. Noch vor zwei Jahren reihte sich Alessandro
D’Ambrogio noch stolz unter die Träger der Madonna del Carmine ein. D’Ambrogio,
einer der sieben wichtigen Paten der Cosa Nostra, führte die Prozession von
Palermo durch das Stadtviertel Ballarò – benannt nach dem gleichnamigen Markt –
an. In diesem Jahr musste er auf die Teilnahme verzichten: Er sitzt im
Hochsicherheitstrakt von Novara ein, weggesperrt nach Artikel 41, der eine
Sicherheits- und Isolationsverwahrung für Mafiabosse vorsieht.
Diese Camorristi trugen vor zwei Jahren das Madonna-Figur durch die palermitische Altstadt. Die meisten von ihnen sitzen inzwischen ein. |
Kirche und Mafia gehen in Sizilien schon seit jeher
eine enge Verbindung ein. Die Mafia unterstützte den Klerus mit großzügigen
Spenden, im Gegenzug konnte sich die Kirche vor zu viel Einfluss der
Kommunisten schützen. Prozessionen in Süditalien standen deshalb oft und lange
unter dem Einfluss der Mafia. Zugleich
erwarben sich die Mafiosi durch Teilnahme Legitimation von oben und in der
Bevölkerung, als gottesfürchtige Mitbürger.
Ehre den Mafia-Bossen
Am vergangenen Sonntag führte die Prozession der
Heiligen Maria vom Karmelberg wiederum durch die Gassen des Marktviertels. Vor
einem Begräbnisinstitut, das D’Ambrogios Familie gehört, rief eine Stimme:
„Halte inne!“. Und die Madonna verharrte für eine Ehrenminute vor dem Haus des
Paten.
Erst vor wenigen Wochen hatte ein gleicher Vorfall
Aufregung in Italien ausgelöst: in der `Ndrangheta-Hochburg Oppido Mamertina
(Reggio Calabria) hielt der Prozessionszug ehrerbietig vor dem Gebäude, in dem
der 82-jährige `Ndrangheta-Boss Giuseppe Mazzagatti seinen Hausarrest verbüßt.
Antwort auf den Bann des Papstes
Vor den beiden Fällen war Papst Franziskus gegen das
organisierte Verbrechen aufgetreten. Erst am 21. Juni hatte er auf einer Messe
in Kalabrien gegen die `Ndrangheta gewettert und die Mafiosi exkommuniziert. Am
vergangenen Wochenende besuchte er die Provinz Caserta, das von der Camorra
heimgesuchte „Feuerland“. Ohne dabei die Mafia direkt anzusprechen, stellte er
sie erneut an den Pranger: Man müsse gegen jede Gewalt vorgehen, gegen jede
Verbrechen an der Umwelt, gegen Korruption und Demütigung der Menschen.
Die Camorra, vor allem die Clans der Casalesi, hatten
in der Region Flächen von Landwirten erworben, um sie in Mülldeponien
umzuwidmen.
Verhaftete Mitglieder des Casalesi-Clans, der mehr als 300 Mafiosi umfasst |
Über Quadratkilometer ist der Feuerschein des brennenden Giftmülls
zu sehen. Das Grundwasser und die gesamte Umwelt sind verunreinigt.
Gesundheitsschäden und eine höhere Sterblichkeit aktenkundig.
Mit den beiden Ehrerbietungen der Marien-Prozessionen
vor den Häusern der Bosse erwidern die Mafien die Aktivitäten des
Kirchenoberhauptes gegen das organisierte Verbrechen.
Katholizismus ist Basis der Mafia
Gottesfürchtigkeit der Bosse und ihre Treue zur
katholischen Kirche gehören zu den Mythen von Cosa Nostra, Camorra, `Ndrangheta
und der Santa Corona Unita. Sie richten die Prozessionen aus, spenden Geld für
religiöse Feste und auch zum Erhalt der Kirchen. Wie die katholische Kirche, so
verlangt auch das organisierte Verbrechen Gehorsam und die strikte Achtung der
Hierarchie.
Indem sie sich gottesfürchtig und den Gesetzen der
Kirche untertan geben, fordern die Bosse nicht nur die Achtung der
Clanmitglieder, sondern auch der Einwohner der Gemeinden ein. Stellt der Papst
die Mafiosi außerhalb der christlichen Reihen, nimmt er ihnen auch die Achtung
(und vielfach den Schutz) der Bevölkerung. Es gehört also zu den
Überlebensstrategien der Clans und der häufig flüchtigen Paten, sich treu zur
Kirche zu verhalten. Mafia und Kirche sind in Süditalien eng vereint.
Bischof sagt Prozessionen ab
Im Bewusstsein dessen, wie schwer ähnliche Vorfälle
wie die „Verbeugungen der Madonna“ sowohl in Oppido Mamertina als auch in
Palermo zu verhindern sind, hatte der Bischof Francesco Milito alle weiteren
Prozessionen abgesagt. Eine hilflose Geste, die zeigt, dass die Kirche einer
Umsetzung der Worte Franziskus noch weit entfernt ist.
Leoluca Orlando - Bürgermeister von Palermo |
Der Bürgermeister von Palermo, Leoluca Orlando,
bekannt als Anti-Mafia-Anwalt, kündigte hingegen eine weitgehende Untersuchung
des Vorfalls an. Auch der Staatsanwalt des sizilianischen Hauptortes, Francesco
Messinea, erklärte, man werde untersuchen, wer den Stopp der Prozession vor dem
Haus D’Ambrogios organisiert hat.
4 große Mafia-Romae - Droemer Knaur |
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