Es geschah in Palermo: Während der
alljährlichen Prozession zu Ehren der Madonna del Carmine verweilten die Männer
mit der gold schimmernden Marienstatue minutenlang vor dem Bestattungsinstitut
eines Mafioso. Die katholische Kirche ist entsetzt.
Madonna und Mafia sollten eigentlich in getrennten
Welten leben. Doch nun sind sie zusammengebracht worden. Trotz aller
Bekenntnisse der katholischen Kirche gegen das organisierte Verbrechen; und trotz der jüngsten Erklärung von Papst
Franziskus, Mafiosi seien exkommuniziert.
Es geschah am Sonntagabend im
volkstümlichen Ballarò-Viertel von Palermo.
Die alljährliche Prozession zu Ehren der Madonna del Carmine schob sich durch
die feiernde Menge. Mitglieder einer katholischen Bruderschaft trugen die
gold schimmernde Marienstatue vor sich her.
Plötzlich rief einer der Männer:
"Haltet an!" Die Prozession verweilte minutenlang vor dem Betrieb des
örtlichen Mafiabosses Alessandro D'Ambrogio. Es ist, sinnigerweise, ein
Bestattungsinstitut. Darin hatte sich der Pate, einer der neuen Anführer der
palermitanischen Cosa Nostra, oft mit Vertrauten getroffen. Nun sitzt er in
Norditalien in Einzelhaft. An der Prozession konnte er diesmal nicht
teilnehmen. Doch seine Anhänger sorgten dafür, dass ihm die Madonna die
Ehre erwies.
Fromme Mafiamitglieder
Die Kirche reagierte aufgeschreckt. Der zuständige
Priester, Pater Vincenzo, sprach von einem "anormalen Halt". Dabei
habe er die Bruderschaft gebeten, solche Gesten zu unterlassen. Der Kardinal
von Palermo hatte sogar einen Aufseher entsandt, um zu verhindern, dass die Madonna von
der Mafia vereinnahmt wird.
In früheren Zeiten war die katholische Kirche in Süditalien da
weitaus nachlässiger. Jahrzehntelang pflegten dort Mafiosi und etliche
Kirchenmänner mehr als nur eine friedliche Koexistenz in gemeinsamer Feindschaft
gegen die Kommunisten. Die Mitglieder der sizilianischen Cosa Nostra oder der kalabrischen
'Ndrangheta gaben sich als fromme Katholiken, gingen regelmäßig in die Messe
und spendeten eifrig. Manche Pfarrer erteilten ihnen ihren Segen, ließen sie
vorn bei Prozessionen mitlaufen und spendeten ihnen so in den Augen der
Menschen Legitimität. Einige Kirchenvertreter leugneten oder verniedlichten die
Mafia. Doch es gab auch andere, die ihren Einsatz gegen die Verbrecher mit dem
Leben bezahlten.
Unter Papst Johannes Paul II.
und seinen Nachfolgern wandte sich die Kirche dann insgesamt energischer gegen
die Clans. Unvergessen in Italien ist der Besuch Johannes Pauls im
Frühjahr 1993 in Agrigento. Mit erhobener Faust und
bebender Stimme rief er den Mafiosi zu: "Kehrt um! Eines Tages wird euch
das Jüngste Gericht Gottes einholen!"
Diesen Juni hatte dann sein Nachfolger Franziskus einen starken
Auftritt gegen die 'Ndrangheta. Doch dies beeinflusst längst nicht alle
Katholiken im Süden Italiens. Anfang Juli geriet eine Marien-Prozession im
kalabrischen Oppido Mamertina auf Abwege. Die Träger hielten vor der Wohnung
eines Mafioso, der dort im Hausarrest saß, und ließen die Madonna
sich verbeugen.
Der Aufschrei in Italien war
groß, etliche Politiker forderten Konsequenzen. Die Justiz leitete Ermittlungen
ein, während die Bischofskonferenz klarstellte, nicht die Madonna, nur die
Statue habe sich vor dem Mafioso verneigt. Etliche Prozessionen im Süden wurden
von der Kirche verboten. Doch nun ist es in Palermo wieder passiert. "All
das wird sich ändern", verspricht Papst
Franziskus. Sein Wort in Gottes Ohr.
http://www.sueddeutsche.de/panorama/italien-mafia-vereinnahmt-madonna-1.2068458
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