Die Fälle sind oft weniger spektakulär.
Etwa der eines vermeintlichen Bauunternehmers in einem osteuropäischen Land,
der mit einer «Firma» den Bau von 100 Kilometer Eisenbahntrassen anbietet. Der
«Unternehmer» verfügte indes nicht einmal über einen Briefkasten. Die
Telefonnummer endete in einer Telefonzelle im Vorort einer Großstadt. Der
«Chef» war ein auf freier Basis arbeitender, verunfallter Lastwagenfahrer.
Das Volumen der Wirtschaftsverbrechen ist
riesig: Laut UNO-Angaben summieren sich Korruption, Betrügereien und Geldwäsche
jährlich auf 15'000 Milliarden Dollar. Zum Vergleich: Der «Umsatz» der
Mafia-Organisationen ist nur ein Zehntel so groß. Die Internetkriminalität
erreicht allenfalls ein Hundertstel dieser Summe. Somit stellt sich auch die
Frage, wer die „eigentliche“ Mafia ist. Etwa Banken? Regierungen gar?
Delinquenten sind laut Scalaris-Eci, einer
auf Informationsbeschaffung spezialisierten Firma mit Sitz in Bachenbülach bei
Zürich, die Angestellten von Firmen, ihre Kunden und ihre Lieferanten: Sie
bestechen und lassen sich kaufen, sie spionieren sich gegenseitig aus und
klauen Geschäftsgeheimnisse, und sie unterlaufen Sanktionen. Alleine die
französische Großbank BNP Paribas hatte für die Geschäfte mit Embargoländern
zwischen 2002 und 2009 Dreißigmilliarden Dollar umgesetzt. Die Komplexität von
großen Geldwäschereinetzen steht denen von Firmen in nichts nach, «gewaschen»
wird mit den üblichen Mitteln wie Glücksspiel, dem Kauf teuren Schmucks und
Scheinrechnungen.
NSA und Swift als
Quellen
Nur schwach geschützt ist die
Privatwirtschaft. «Staatliche Organisationen sind zwar gut bei der Aufklärung
über allgemein zugängliche und menschliche Quellen, über Fernmeldeaufklärung,
über Bild- und Videoaufzeichnungen, über Waffen und über Radar- sowie weitere
Aufklärungsmethoden», sagt Andrea Galli, Geschäftsführer bei Scalaris-Eci.
«Aber ihre Macht endet meistens an Landesgrenzen und die firmeneigenen Stellen
haben weder Ressourcen noch die Möglichkeiten, eigene Aufklärungen
vorzunehmen.»
In diese Lücke springen Firmen wie
Scalaris-Eci. «Private Nachrichtendienste wie wir sind vor allem bei
Informationsbeschaffung über allgemein zugängliche Quellen unverzichtbar.» In
diese Kategorie fallen alle möglichen staatlichen Register, die Datenbanken von
staatlichen und halbstaatlichen Einrichtungen, von Firmenregistern, Banken und
bankenähnlichen Organisationen. «Sehr viele Informationen, die man für die
Verbrechensaufklärung benötigt, sind bei speziellen Datenbanken frei
verfügbar», so Galli. Gerade in Russland, wo es einen großen Registerbetreiber
gibt, sei es einfach, Information über verdächtige Firmen zu bekommen, denn,
entgegen landläufiger Meinung seien viele Informationen einsehbar – wenn man
die Landessprache beherrscht.
Käufliche Angestellte
Wo die offiziellen Register nicht
weiterhelfen, werden die Angestellten bei Banken und Ämtern angezapft. Es ist
laut Fachleuten einfach, Informationen von praktisch allen Stellen zu bekommen,
inklusive von Swift, der Organisation, mit der Banken untereinander den internationalen
Zahlungsverkehr abwickeln. Ein Teil der Informatikangestellten, die in Genfer
Privatbanken arbeiten, kommt aus Frankreich. Diese sind vergleichsweise
schlecht bezahlt, haben aber Ausbildungen auf Militärakademien genossen und
sind offen für weitere Tätigkeiten. Private Dienste stopfen solche Lecks auch.
Selbst der US-Geheimdienst ist löchrig:
NSA-Angestellte verkaufen Informationen genauso weiter wie die Mitarbeiter von
Firmen, an die der NSA bestimmte Aufgaben ausgelagert hat. Die besten Kunden
von Galli und seinen Experten sind Banken, vermögende Geschäftsleute und
Industriefirmen. «Unsere Aufklärungsquote liegt bei 95 Prozent», so Galli.
«Wenn das Budget im Hinblick auf die Aufgabe stimmt.»
Der Aufwand ist viel kleiner als der
mögliche Schaden: So unterließ es eine Großbank, in Osteuropa genau abzuklären,
wer eigentlich der Vermieter der Büros war, die man beziehen wollte. Erst in
letzter Sekunde stellte sich heraus: Es war die Mafia.
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