Mit Gift- und anderem Müll
verdient das italienische Verbrecherkartell Milliarden
Der Europäische Gerichtshof hat Italien wegen seiner
nicht durchgesetzten Richtlinien über Mülldeponien eine Geldbuße von 40
Millionen Euro aufgebrummt. Weitere 42,8 Millionen Euro werden für jedes
Halbjahr Verspätung fällig. Beanstandet wird, dass kein funktionierendes System
der Abfallentsorgung besteht, um Müll umweltschonend und ohne
Gesundheitsgefährdung zu beseitigen.
Anfang Dezember hatte die italienische Polizei in Rom
und der Provinz Latium 37 Personen aus Politik und Wirtschaft verhaftet. Ihnen
wird einem Bericht der Nachrichtenagentur ANSA zufolge vorgeworfen,
Mitglieder oder Komplizen der Mafia zu sein. Gegen 100 weitere Personen leitete
die Staatsanwaltschaft Ermittlungen ein, darunter gegen den früheren
neofaschistischen Bürgermeister der Hauptstadt, Giovanni Alemanno.
Die Ermittlungen in Rom bestätigen, was seit langem
bekannt ist: Die Mafia verdient Milliarden nicht nur mit Drogenhandel,
Schutzgelderpressungen oder durch illegale Geschäfte im Agrarsektor. Sie
kassiert immense Summen auch mit Müll. Das römische Verbrecherkartell
beherrscht die gesamte Müllentsorgung der Hauptstadt. Seit 2007 hatten
EU-Inspektoren in Rom eine »katastrophale Lage« und »Missmanagement«
kritisiert, also in der Bürgermeister-Amtszeit Alemannos (2008-2013), einer, wie
jetzt enthüllt wurde, zentralen Figur des Verbrecherkartells.
Unweit von Rom,
auf dem Weg zum Meer, befand sich eine berüchtigte, »Malagrotta« genannte
Mülldeponie, die als die größte Europas galt. Auf 250 Hektar wurden dort – was
nach EU-Richtlinien verboten ist – täglich fünftausend Tonnen unbehandelter
Stadtmüll abgeladen. Der süßliche Gestank der verrotteten Abfälle stieg in die
Luft. Die Gegend ist auf lange Zeit verseucht, es drohen schwere
Gesundheitsschäden. Alemanno weigerte sich, Abhilfe zu schaffen. Erst nach dem
Amtsantritt des neuen Bürgermeisters Ignazio Marini von der Demokratischen
Partei (PD) wurde der Abfallberg im Januar 2014 geschlossen.
Besonders im Süden des Landes beherrscht die Mafia das
Geschäft auch mit dem Müll, vor allem mit dem giftigen Arsen, mit Asbest,
Schwermetallen und Lösungsmitteln, darunter auch radioaktiven und andere
toxischen Stoffen aus Krankenhäusern. Das bringt Milliarden und, wie Experten
meinen, bereits mehr als der Umsatz im Drogenhandel. Einen Einblick gab der Antimafia-Publizist
Roberto Saviano schon vor Jahren in seinem Reportage-Roman »Gomorrha« und in
dem gleichnamigen, weltweit bekannt gewordenen Film. Er schilderte das Treiben
des Casalesi-Clans der Camorra bei Neapel, der sich auf den Handel mit Giftmüll
spezialisiert hat.
Im März 2015 erscheint der authentische Mafia-Thriller der in dramatischem Plot Das Müll-Desaster zum Thema hat |
Ein Teil wird in Flüssen und Feldern versenkt bzw.
vergraben. In einem Kalksteinbruch bei Caserta unweit von Neapel wurden 200.000
Tonnen Giftmüll entdeckt, der bereits in das Grundwasser eingedrungen war, mit
schweren Schäden für die Landwirtschaft. Der Clan verbrannte Millionen Tonnen
oft giftiger Industrieabfälle. Viele Deponien wurden regelmäßig in Brand
gesetzt, um Spuren zu verwischen. Berlusconi erklärte als Regierungschef das
Problem 2008 zu seiner Chefsache, geändert hat sich nichts. Experten führen das
darauf zurück, dass der Medienmonopolist selbst der Komplizenschaft mit der
Mafia verdächtigt wird.
Aber auch der Norden gerät zunehmend in die Hände der
Müllmafia. »Giftmüll ist unter dem Asphalt verborgen«, berichtete die römische
Zeitung Repubblica und vermutete brisante toxische Funde unter der
Autobahn A4 von Brescia nach Mailand. Hunderte Tonnen sollen dort bei ihrem Bau
vor 25 Jahren mit Teer zugeschüttet worden sein. In Prato entdeckte der Chef
der nationalen Anti-Mafia-Staatsanwaltschaft, Franco Roberti, im Dezember
vergangenen Jahres, dass Mafiosi aus Neapel dort Giftmüll verscharrten. Bis
dahin hatten sie ihn immer nach Süden gekarrt. Nun sparten sie die
Transportkosten und entsorgten Blei, Arsen und Dioxin gleich in der Stadt bei
Florenz. Der Bürgermeister von Prato, Roberto Cenni, versuchte, den Skandal
wegen befürchteter Auswirkungen auf den Tourismus, zu vertuschen.
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