Korrupte Politiker kommen in Italien meist ungeschoren davon. Ein Vorstoß
der Regierung für härtere Strafen wird daran kaum etwas ändern.
Vor zwei Wochen ist in
der italienischen Hauptstadt ein schockierender Korruptionsskandal aufgeflogen.
Seither vergeht kein Tag, an dem die Öffentlichkeit nicht neue haarsträubende
Details über die Machenschaften der «Mafia Capitale» erfährt. Die Gruppe um den
früheren rechtsextremen Terroristen Massimo Carminati hatte hinter den Kulissen
in Rom offenbar über ein Jahrzehnt lang die Fäden gezogen.
«Mafia Capitale»
«Mafia Capitale»
bestach einflussreiche Politiker und Beamte und verschaffte befreundeten Firmen
und Organisationen dadurch lukrative Aufträge zum Beispiel im Bereich der
Abfallentsorgung oder der Unterbringung von Flüchtlingen. Nicht selten wurde
auch kassiert, ohne dass entsprechende Leistungen erbracht wurden.
Der 56-jährige
Carminati und 36 weitere Personen wurden am 2. Dezember verhaftet. Gegen
Dutzende weitere wird ermittelt. Im Fokus der Aufmerksamkeit steht vor allem
der frühere rechtskonservative Bürgermeister Roms, Gianni Alemanno, unter dem
die Mafia 2008 bis 2013 freie Hand gehabt zu haben scheint. Die Ermittler haben
warnend darauf hingewiesen, dass man erst am Anfang einer langen Untersuchung
stehe.
Anfang dieser Woche
sind sechs weitere Personen verhaftet worden, unter ihnen drei Angehörige der
Marine. Sie sollen vom Staat über sieben Millionen Euro einkassiert haben, um
Treibstoff für ein Marineschiff zu besorgen, das längst gesunken war. Auf die Schliche
kamen die Ermittler den Tätern, weil Leute von Carminati in die Betrügerei
involviert waren. In diesen Tagen wurde zudem bekannt, dass der Direktor der
römischen Tageszeitung «Il Tempo», ein Freund von Alemanno, den Mafiaboss vor
einer bevorstehenden Verhaftung gewarnt haben soll.
Die römische Mafia
agierte zwar weitgehend unabhängig von den bekannten süditalienischen Clans.
Ende letzter Woche wurde aber bekannt, dass es Berührungspunkte zwischen
Carminati und der 'Ndrangheta gab. Letztere soll der Römer Organisation Schutz
bei kriminellen Aktivitäten im Geschäft mit Flüchtlingen zugesagt haben. Im
Gegenzug wurde ihr das «Management» eines Marktes in der Hauptstadt überlassen.
Die 'Ndrangheta stammt
aus Kalabrien und ist eine der einflussreichsten Mafia-Banden Italiens. Ihre
wichtigste Einnahmequelle ist der Drogenhandel. Über Kalabrien kommt die große
Masse des geschmuggelten Kokains aus Südamerika nach Europa. In den letzten
Jahren hat sich die Organisation laut der Polizei auch in anderen Regionen ausgebreitet;
sie ist bis nach Norditalien vorgestoßen.
Verhaftungswellen
Auch gegen die
Kalabresen sind den Ermittlern in den letzten Wochen mehrere Schläge gelungen.
Am Dienstag wurden in der Lombardei 59 mutmaßliche 'Ndrangheta-Mitglieder wegen
Geldwäscherei, Waffen- und Drogenhandel, Erpressung und Korruption verhaftet.
Sie sollen in der florierenden Industrieregion um Mailand unter anderem
befreundeten Unternehmern dabei geholfen haben, sich öffentliche Aufträge unter
den Nagel zu reißen. Im Mai war bekanntgeworden, dass das organisierte
Verbrechen auch bei den Vorbereitungen für die Expo 2015 in der Stadt ihre
Finger im Spiel hat.
In Umbrien sind vor
einer Woche ebenfalls 61 Mitglieder der 'Ndrangheta festgenommen und
Vermögenswerte von 30 Millionen Euro beschlagnahmt worden. Trotz solchen
Erfolgen bleibt der Kampf von Polizei und Justiz gegen die Mafia eine
Sisyphusarbeit. Zwar morden die Clans heute bei weitem nicht mehr so ruchlos
und so oft wie früher. Ihr Einfluss bleibt dank Verbindungen zur Politik aber
groß.
Carminati etwa genoss
in Rom nicht nur die Unterstützung des rechtskonservativen Bürgermeisters,
sondern hatte Politiker aus allen politischen Lagern gekauft. In einem
abgehörten Telefonat soll er geprahlt haben, dass öffentliche Aufträge seiner
Organisation heute mehr Geld einbrächten als die traditionellen Geschäfte der
Unterwelt.
Ein großes Problem
ist, dass korrupte Politiker wegen der kurzen Verjährungsfristen in Italien
kaum je bestraft werden. Der frühere Ministerpräsident Berlusconi hat in einer
Gesetzrevision 2005 die Fristen deutlich heruntergesetzt; sie sind heute
maximal so lang wie die Höchststrafe für die eingeklagte Straftat. Fälle von
Korruption werden aber oft erst nach Jahren entdeckt, und Verfahren über
mehrere Stufen ziehen sich jahrelang dahin. Zehntausende von
Korruptionsverfahren werden jedes Jahr eingestellt, bevor es zu einer
Verurteilung kommt.
Zahnlose Strafverfolgung
Matteo Renzi hat nach
Bekanntwerden des Römer Skandals versprochen, dass sich dies nun ändern werde.
Seine Regierung hat dann ein Maßnahmenpaket verabschiedet, das schärfere
Strafen vorsieht. Die Mindeststrafe für Korruption soll demnach auf vier bis
sechs Jahre Haft steigen, die Höchststrafe auf acht bis zehn Jahre. Damit wird
auch die Verjährungsfrist verlängert. Wer wegen Korruption verurteilt wird,
soll zudem die veruntreuten Beträge bis zum letzten Cent zurückzahlen. Doch hat
der Verband der Staatsanwälte diese Neuerungen als ungenügend bezeichnet.
Laut der
Wirtschaftszeitung «Il Sole 24 Ore» kostet die Korruption Italien jedes Jahr
rund 60 Milliarden Euro. Die EU und die OECD haben Rom wiederholt aufgefordert,
die Strafverfolgung effektiver zu machen. Das Thema ist in politischen Kreisen
jedoch umstritten; es stand deshalb auch nicht auf Renzis Reformagenda.
Die Welle öffentlicher
Empörung hat den Regierungschef nun zum Handeln gezwungen. An eine
grundsätzliche Neuregelung der Verjährungsfristen wird Renzi sich aber nicht
heranwagen, denn dafür bekäme er mit seiner knappen Mehrheit im Parlament kaum
die nötige Unterstützung.
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