Bislang kam die Mafia immer
aus Süditalien. Nun ist sie auch in der italienischen Hauptstadt zuhause.
Massimo Carminati, der selbsternannte "König von Rom" wurde am
Dienstag verhaftet. Nun steht die Auflösung des Stadtrats wegen Mafia-Infiltrationen
zur Debatte.
Ein Olivenhain am Stadtrand
von Rom. Der silberne Smart fährt langsam einen schmalen Weg bergauf. Die
Polizisten sind in Alarmbereitschaft, das ist an ihren Stimmen zu hören.
"Er sitzt am Steuer", ruft einer der Beamten nervös. Der getarnte Wagen
der Carabinieri schneidet dem Smart den Weg ab, zwei Beamte springen aus dem
Auto. Einer zielt mit der Maschinenpistole auf Massimo Carminati. "Er
guercio", der Blinde ist sein Name in der römischen Unterwelt. Carminati
hat nur noch ein Auge, das andere verlor er einst bei der Flucht durch den
Schuss eines Polizisten. "König von Rom" nannte er sich selbst.
Jetzt steigt der selbst
ernannte König mit erhobenen Händen aus dem Auto. Der von der Polizei
aufgenommene Kurzfilm, der auf den meisten italienischen Nachrichtenportalen zu
sehen ist, stammt von vergangener Woche. Die Festnahme Carminatis ist der
bislang größte Schlag gegen die römische Mafia. Mafia, damit waren in Italien
bislang vor allem die Clans in Sizilien, Kampanien und Kalabrien gemeint, die
ihre Macht mit Gewalt und der Omertà genannten und von Angst genährten
Verschwiegenheit aufrechterhalten.
Die Staatsanwaltschaft Rom
ist überzeugt, die okkulten Geschäfte des römischen Verbrecherrings entsprechen
der "Bildung einer mafiösen Vereinigung" im italienischen
Strafgesetzbuch. Ihr Kopf sei Massimo Carminati, früher Teil einer
rechtsextremen Terrororganisation und ehemaliges Mitglied der berüchtigten
Magliana-Bande. Zehn Jahre saß er in Haft, seit 2008 ist er auf freiem Fuß.
Carminati und Co. ersparten sich die im Süden
üblichen archaischen Aufnahmeriten mit der Verbrennung von Heiligenbildchen.
Auch spielten Familienbande bei der Hauptstadtmafia offenbar keine besondere
Rolle. Die Gruppe kontrollierte ihr Territorium durch Androhung von Gewalt und
die bloße Präsenz Carminatis, die allein schon Schrecken verbreitete. "Sie
haben Angst vor ihm", wird einer der Verdächtigen in einem abgehörten
Telefonat zitiert. Ihr Ziel, das die Hauptstadtmafia offenbar auch jahrelang
verwirklichte: Erpressungen, Geldwäsche sowie Abschöpfung von öffentlichen
Aufträgen und öffentlichen Geldern mithilfe korrupter Politiker.
Hier fanden die großen Mafia-Sitzungen statt, die auch heute noch von den wichtigen Paten frequentiert werden. |
die 12 mächtigsten Hintermänner der Mafia |
37 Verdächtige nahmen die Carabinieri am vergangenen Dienstag fest. 205 Millionen Euro wurden beschlagnahmt. Gegen 76 weitere Verdächtige wird ermittelt, unter ihnen ist auch Roms ehemaliger Bürgermeister Gianni Alemanno. Alemanno war früher selbst ein rechter Schläger. Die seit jeher schlecht verwaltete Hauptstadt regierte er zwischen 2008 und 2013 weiter in den Abgrund, er vergab Posten an korrupte und ehemalige rechtsradikale Gesinnungsgenossen.
Doch der römische Mafia-Skandal ist nicht nur eine Moritat aus der
rechtsextremen Halbwelt. Zahlreiche Lokal-Politiker der Demokratischen Partei
(PD) von Ministerpräsident Matteo Renzi sind ebenso verwickelt. Darunter der
Präsident des Stadtrats, ein Referent, der Präsident der Kommission für
Transparenz und der ehemalige Kabinettschef von Roms früherem linken
Bürgermeister Walter Veltroni. Ihn sollen Carminati und sein engster Kompagnon
Salvatore Buzzi mit monatlich 5000 Euro geschmiert haben. Den Verbrechern
gelang es, sich die jeweils herrschende Klasse gefügig zu machen. Die dankte
mit Aufträgen und Genehmigungen in Rekordzeit.
"Mit Drogen verdient man weniger"
"Mafia Capitale" haben die Staatsanwälte ihre Ermittlungen genannt. Das bedeutet so viel wie Hauptstadt-Mafia, steht aber auch für eine Mafia, die sich alles Untertan macht. Und nicht einmal vor dem Geschäft mit dem Elend zurück schreckte. "Du kannst Dir gar nicht vorstellen, wieviel ich mit den Immigranten verdient habe", wird Carminatis Alter Ego Salvatore Buzzi in einem abgehörten Gespräch zitiert. "Mit Drogen verdient man weniger." Buzzis Kooperative machte nach außen den Anschein, sozialen Zwecken zu dienen. Stattdessen schaufelte die als soziale Einrichtung getarnte Firma Millionen.
Die römischen Mafiosi verdienten mit der Versorgung von Roma-Lagern am
Stadtrand und mit Flüchtlingsunterkünften, in denen der Staat 35 Euro pro
erwachsenem Flüchtling und 91 Euro pro Minderjährigem zahlt. Auch die überfüllten
Auffanglager auf Sizilien waren deshalb im Visier der Hauptstadt-Gangster. Rom
ist seit langem eine schlecht funktionierende und mit Milliarden verschuldete
Großstadt. Nach den Enthüllungen wirkt es, als hätten auch noch die Geier im
römischen Aas geweidet.
verhaftet: Giovanni de Carlo |
Nun steht die Auflösung des Stadtrats wegen Mafia-Infiltrationen zur Debatte. Nur einer hat bislang vom Mafia-Skandal profitiert. Es ist der amtierende Bürgermeister Ignazio Marino (PD), der vor Wochen noch fast über eine Affäre wegen nicht bezahlter Strafzettel und unglückliche politische Entscheidungen gestolpert wäre. Er fährt mit seinem Fahrrad weiter durch die Stadt, als sei nichts passiert.
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